Bei der Auslosung des bosnischen Pokals bewies die Losfee ein glückliches Händchen und zog das Sarajevo Derby im Viertelfinale, was demnach unter der Woche stattfand und unsere ursprünglichen Pläne eines entspannten Bulgarientrips durchkreuzte, sodass wir nach Landung in Sofia zielstrebig zum Bahnhof liefen, um Tickets für den Nachtzug nach Belgrad zu reservieren, der für umgerechnet 25 EUR im Viererabteil eine günstige Alternative zu den veranschlagten Grenzüberfahrtskosten der Mietwagenfirmen darstellte. Der Zugführer warnte uns vor „Banditen“, die nachts im serbischen Nis in den Zug steigen und den schlafenden Reisenden ihre Habseligkeiten enteignen, was unsere Beobachtung erklärt, dass einige Fahrgäste mit massiven Vorhängeschlössern den Zug enterten. Da der Inhalt unserer Groundhoppingrucksäcke in der Regel wertlos ist, riss uns erst die Ankunft in Belgrad am frühen Morgen aus dem Schlaf.

Das nächste Etappenziel führte uns zu einer Mietwagenfirma am Flughafen mit dem super unseriösen Namen „Mega Rent a Car“, die Autos zu Spottpreisen vermietet und eine Grenzfahrten nach Bosnien erlaubt. Klingt alles wenig vertrauenswürdig, klappte jedoch einwandfrei. Der Weg von Belgrad nach Sarajevo gestaltete sich sehr abenteuerlich und führte uns durch wunderschöne Landschaftszüge, ursprüngliche Ortschaften fernab der Zivilisation und über einige Bergpässe, die den Motor unseres Kleinwagens an seine Grenzen brachte. Im Endeffekt benötigten wir für 280 Kilometer etwa 7 Stunden inklusive eines Stopps in einem urigen Restaurant, was wohl zum ersten Mal die Speisekarten an Touristen austeilte. Die bosnische Preisgefüge ist astronomisch günstig und wenn man Regionen erreicht, die touristisch überhaupt nicht erschlossen sind, pendelt sich der Preis für einen Grillteller mit Getränk zwischen 6-8 EUR ein. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten das geniale Stadion Grbavica, welches als Spielstätte des Eisenbahnclubs Zeljeznicar fungiert und im Bosnienkrieg eine zentrale Rolle spielte, weil hier die Front der jeweiligen Kriegsakteure verlief und bis heute sind die Schäden in der Stadionumgebung omnipräsent. Die Anhängerschaft von FK Sarajevo erhielt für das Pokalspiel ein Gästeverbot, was in Bosnien eher unüblich ist. Zwar werden Gästefans regelmäßig schikaniert, indem der Einlass erst in der 10. Minute erfolgt, ehe der Block in der 80. Minute geräumt wird, komplette Gästeverbote finden jedoch selten Anwendung. Im Vorfeld zwitscherten die Vögel bereits von den Dächern, dass die „Horde Zla“ intern mobilisiert und plant, dass sich der Mob erst im Stadion zusammenfindet, was uns entsprechend frühzeitig auf die Plätze der Haupttribüne lockte, die vorm Stadion umgerechnet 5 EUR kosteten und mit besten Blick auf beide Kurven und die alte Dampflok auf der Gegengerade überzeugten. Während die Tribüne der „Manijaci“ bereits weit vorm Spiel einige Lieder in den Abendhimmel schepperte, beobachteten wir immer mehr Kleingruppen auf der gegenüberliegenden Hintertortribüne und spätestens zu dem Zeitpunkt hat wohl jeder Stadiongänger realisiert, dass der anstehende Pokalfight von beiden Fanszenen begleitet wird. Als der schwarzgekleidete Haufen rund um die „Horde Zla“ minütlich Zuwachs erhielt, öffnete der Ordnungsdienst den Gästeblock, dessen Kapazität nicht für den kompletten Mob reichte.

Kurz vor Anpfiff begann das Kurvengeschehen mit Pyroeinlagen, brachialen Gesängen und einer beidseitigen 100% Mitmachquote. „Zeljo“ ist nicht nur Rekordmeister, sondern ein Verein der Arbeiterklasse, der sich vor allem in der Anfangsphase mit Mühe und Not über Wasser halten konnte, weil finanzielle Mittel fehlten und die multiethnischen Werte des Vereins für viele Menschen bedrohlich wirkten. Trotz alledem schaffte es der Club in den europäischen Spitzenfussball und sogar ins Halbfinale des UEFA Cups im Jahr 1985. Im Jahr 1987 gründete sich die, bis heute führende, Ultrasgruppe „The Maniacs“, welche zu den größten des Landes zählt und nur 5 Jahre nach Gründung den ersten Rückschlag erlitt, als der berühmte Anführer Dzevad Begic Dilda 1992 im Bosnienkrieg bei der Verteidigung seiner Stadt Sarajevo ums Leben kam. Mehr als 20 Jahre später hat die Kurve ihn nicht vergessen und fast bei jedem Spiel tönt es aus den Blöcken:Ich hatte einen verrückten Traum heut´ Nacht. Auf der Südtribüne brannte eine Fackel – alle hoben die Hände in die Luft und wir sehen das Gesicht von Dzilda – Dzevad Begic Dzilda du bist eine Legende“

Sportlich wartete eine interessante Ausgangslage auf uns, da das Hinspiel torlos endete und somit für beide Vereine ein Halbfinaleinzug realistisch schien, wobei dem FKS letztlich ein 1:1 Unentschieden reichte, um mittels der Auswärtstorregel ins Halbfinale einzuziehen, was den Gästepöbel in den letzten Minuten nochmal zu Höchstleistungen antrieb.