Als wir in den Abendstunden des 15. Februars an der Ryanair-Drehscheibe in Mailand – Bergamo landeten, ahnte wohl niemand, dass sich die Lage nur wenige Tage später zuspitzt und Bergamo des Epizentrum der Corona Pandemie werden sollte. Unsere Gedanken kreisten vielmehr um den anstehenden Fussballsonntag, der gleich mit zwei fantechnischen Leckerbissen auf uns wartete. Zunächst bahnten wir uns den Weg nach Imola, einem Ort, der wohl eher mit Motorsport assoziiert wird. Die Rennstrecke fungierte über Jahre als fester Bestandteil der Formel 1 und erlangte durch den Unfalltod der Fahrerlegende Ayrton Senna tragische Berühmtheit. Der ortsansässige Fussballverein Imolese Calcio dümpelt seit Jahren durch die Serie C, verfügt über keine wirklich organisierte Anhängerschaft und lockt den gemeinen Groundhopper wohl nur, wenn namhafte Gegner auflaufen. Heute gastierte mit dem AC Cesena ein großer Verein aus der Umgebung, der im Vorfeld alle 700 bereitgestellten Karten verkaufte, Der Gästebereich ist in mehrere Tribünen separiert, sodass die Gruppen rund um die Weisschwarzbrigaden (WSB) zwar um die Supportkoordination bemüht schienen, aufgrund der räumlichen Trennung der Blöcke allerdings kein geschlossener Auftritt realisierbar war.

Nach dem Spiel blieb massig Zeit, um die abendliche Begegnung in Empoli zu erreichen und so entschieden wir uns die Mautstraßen der empfohlenen Route zu vermeiden und durch die landschaftlich reizvollen Apenninen zu tingeln. In einem malerischen Ort inmitten der Toskana servierte man uns die obligatorische Pizza, ehe wir eine Stunde vor Anpfiff den Parklatz des Stadions erreichten und sich der Parkplatzeinweiser als Deutscher entpuppte. Ob er sich hier seine beruflichen Träume erfüllte oder andere Machenschaften dahinterstecken, ließ sich leider nicht final aufdecken. Im Stadion bot sich ein gegensätzliches Bild, denn die etwa 1500 Pisani quetschten sich in einen Block und starteten schon weit vor Anpfiff mit ihrem Programm, welches einige gänzlich unbekannte Melodien beinhaltet und wohl zu den Besten im Mutterland der Ultras zählt. Die Fanszene von Pisa beeindruckt uns bei jeder Stippvisite aufs Neue und genießt großen Respekt in der italienischen Fanlandschaft, weil die Pisani den Tessera Boykott rigoros durchzogen und trotz einer quasi verlorenen Fangeneration, regelmäßig die Blöcke der Nation füllen. Während des gesamten Spiels, zeigte der Gästeblock immer wieder ein Spruchband mit der Aufschrift „17.9.2016 Pisa non dimentica“, was auf einen Vorfall anspielt, der sich am besagten Datum in Empoli abspielte, als AC Pisa kurzfristig für einige Spiele nach Empoli auswich, da das heimische Stadion als einsturzgefährdet galt. Nach dem sich der Ablauf in Empoli eingespielt hatte, trafen sich die Tifosi auch zum „Heimspiel“ gegen Brescia auf einen Parkplatz, um gemeinsam zum Stadion zu laufen, als plötzlich die Gästebusse eben jene Route ohne Polizeibegleitung passierten und sich infolgedessen eine klassische Fussballschlägerei entwickelte, die allerdings in Sekundenschnelle von einer auffälligen zahlenstarken und fixen Polizeieinheit unterbunden wurde. Acht Personen landeten vorläufig in Haft, ehe es einige Wochen später 87 Stadionverbote hagelte ohne jegliche Anhörungen. Beweise der Unschuld verschwanden auf mysteriöse Art und Weise und im Endeffekt muss man kein großes Genie sein, um hier den repressiven Plan der Polizei zu erkennen. Auf der Heimtribüne, die jahrelang unter der Führung der „Rangers“ agierte, die sich als erste Ultrasgruppe in Empoli bereits 1976 gründete und 2012 mit einer bewegenden Stellungnahme auflösten, sammelte sich ebenfalls eine vierstellige Tifosi Anzahl. In der Stellungnahme heißt es übersetzt, dass die Gruppe nicht mehr für die aktuelle italienische Fanwelt geeignet sei. Nicht weniger unbekannt sind die „Desperados Empoli“, die seit 1984 als Gruppe auftreten und als Motor der Kurve fungieren. Die Gruppe pflegt u.a. eine Freundschaft zu den „Boys Parma“, wobei heute augenscheinlich keine Gäste vor Ort waren. Empoli zeigte zu Beginn eine Blockfahne, zündete auch ein paar Fackeln, konnte akustisch jedoch nicht mit dem euphorisierten Gästeblock mithalten. Nach dem Spiel wartete der anstrengende Part, da uns 350 Kilometer von Bergamo trennten und bei Ankunft im Hotel nur zwei Stunden Augenpflege reichten, um von Norditalien pünktlich zum Arbeitsplatz zu gelangen.