Wenn im Juli die Loskugeln am Ufer des Genfersees in Nyon rotieren, schauen viele Fußballfans gespannt auf die Bildschirme. Die Auslosungen der Qualifikationsrunden zur UEFA Champions- und Conference League sorgen in aller Regelmäßigkeit für interessante Duelle aus Rasen und Rängen. Eben jene Duelle finden häufig in Südosteuropa statt, weil die dortigen Ligen schon lange den sportlichen Anschluss an die europäischen Spitze verloren haben. Hier starten selbst die Meister in Qualifikations- oder Playoffrunden. Das Prozedere der Auslosung ist zwar etwas kompliziert, dennoch zeichnete sich früh ab, dass besonders die 3. Quali-Runde einige Brisanzspiele mit sich bringen wird.

Behörden & UEFA handelten prompt und sprachen ungewöhnlich viele beidseitige Gästeverbote aus. Dass Hajduk Split – PAOK ohne Gäste stattfindet, hätte man fast vermuten können, da PAOK mit den befreundeten Grobari aus Belgrad allein aus politischen Gründen ein ernstzunehmendes Risiko für die Stadt Split darstellt.

Beidseitiges Gästeverbot bei AEK Athen – Dinamo Zagreb

Für das Spiel zwischen AEK Athen und Dinamo Zagreb wurde ebenfalls ein beidseitiges Gästeverbot verhängt, was auf den ersten Blick etwas verwunderte. Die Bad Blue Boys pflegen zwar eine Fanfreundschaft zum Gate 13 Panathinaikos Athen, dennoch ist die Anzahl der Gästefans bei einer solchen Distanz und Kurzfristigkeit sehr überschaubar. Außerdem sind die Bad Blue Boys dafür bekannt, trotz allen behördlichen Widrigkeiten, zumindest in der Nähe des Spielortes aufzutauchen. Das war schon in Mamic Zeiten gängig. Und sie reisten auch nach Athen – mit tödlichem Ausgang.

Die Route der Bad Blue Boys

Bereits im Vorfeld der Begegnung schickten kroatische Sicherheitsbehörden eine Warnung nach Athen mit der Einschätzung, dass sich bis zu 200 gewaltbereite Hooligans auf den Weg in die griechische Hauptstadt machen werden. Diese Warnung war Teil einer 27-seitigen Gefahreneinschätzung, die letztlich sogar die Reiseroute korrekt vermutete. Aber der Reihe nach:

Insgesamt 21 Fahrzeuge starteten in der Nacht von Sonntag auf Montag ihre Reise nach Athen. Das Routing (1500km) verlief über Montenegro und Albanien. Diese Reisebewegung blieb nicht unerkannt. In Bozaj, dem montenegrinischen Grenzort zu Albanien verzeichneten Grenzbeamten eine ungewöhnliche Reisebewegung. Eine Kolonne mit über 120 jungen Männern passierte mitten in der Nacht die Grenze zu Albanien. Interpol Montenegro dokumentierte diesen Vorfall sehr pflichtbewusst und leitete alle Informationen samt Autokennzeichen an die Kollegen nach Albanien und Griechenland weiter. Etwa sieben Stunden später, um 10:28 erreichte der Tross den griechischen Grenzübergang in Kakavija. Lediglich zwei Autos inspizierten die Grenzbeamten genauer, ehe die Fans, die keine Dinamo Zagreb Symboliken an sich trugen, ihre Reise fortsetzen durften.

Original 21 ist vorbereitet

Mittlerweile berichteten sogar überregionale Medien vom kroatischen Konvoi, der auf Athen rollte. Es tauchten sogar Bilder dieser Kolonne im TV und Internet auf. In Athen gab es derweil eine neue Gefahreneinschätzung, die im Nachgang seitens der Zeitung „Te Nea“ enthüllt wurde. Dort vermuteten die Einsatzleiter der ELAS, dass die kroatischen Fans nach ihrer Ankunft ins Bett gehen würden. Den Beamten lagen die Übernachtungsstätten vor, sodass man hier keinerlei Risiko vermutete. Bei Original 21, der führenden Fangruppe im schwarzgelben Lager hätte die Einordnung nicht gegenteiliger ausfallen können. Sie mobilisierten AEK Fans unter dem Vorwand eines Dauerkarten Verkaufs zum Stadion zu kommen. Die Kroaten teilten sich derweil kurz vor Athen auf, steuerten dennoch zielstrebig die Metrostation „Irini“ an. Dort parkten sie ihre Autos und setzen den Weg mit dem öffentlichen Nahverkehr fort. Auf dem Weg zur Metro entdeckte eine Einheit der DRASI (Motorradpolizei) den Mob der Bad Blue Boys, der sich mittlerweile durch Panathinaikos Fans vergrößerte.

Das Aufeinandertreffen

Am Bahnhof Perissos stiegen die mit Holzlatten und Messern bewaffneten Hooligans aus und durchquerten zielstrebig Nea Filadelfia, den Stadtteil, der das neue AEK Stadion beheimatet und als Viertel der AEK Fans gilt. Begleitet von 7 (!) Polizisten, die sich im Hintergrund aufhielten und auf Verstärkung warteten. Wenige Minuten später prallten beide Fangruppen bereits aufeinander und das tragische Ende verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Der 29-jährige AEK Fan Michalis Katsouris starb in Folge einer Stichverletzung, die eine Hauptarterie im Arm durchtrennte.

In der Folge verhaftete die Polizei über 100 Personen, wobei ein Großteil aus dem Lager der BBB stammt. Ein Kroate liegt weiterhin mit Stichverletzungen im Krankenhaus, während sich die restlichen Mitstreiter in Untersuchungshaft befinden. Ihnen wurden bereits DNA Proben entnommen. Nachdem es im letzten Jahr ebenfalls eine tödliche Messerattacke in Thessaloniki gab, wurde das Strafmaß bei Delikten rund um Fußballgewalt seitens der Regierung erhöht.

Die Höchststrafe liegt nun bei 5 Jahren statt 6 Monaten, wobei es in der aktuellen Anklage um die Bildung einer kriminellen Vereinigung geht, was mit Haftstrafen von bis zu 15 Jahren geahndet werden kann. Erst heute wurden 5 weitere Mitglieder der Bad Blue Boys im Hafen von Igoumenitsa (470 Kilometer von Athen) beim Versuch per Fähre nach Italien zu fliehen verhaftet. Gleichzeitig hat das Innenministerium sieben hochrangige Polizisten vom Dienst suspendiert.

Wie geht es nun sportlich weiter?

Das „Rückspiel“ wird am kommenden Dienstag wie geplant in Zagreb stattfinden. Die Austragung in Athen ist für das darauffolgende Wochenende geplant. Eine weitere Zuschauersanktion der UEFA ist bis dato nicht vorgesehen. Für beide Spiele gilt jeweils weiterhin das Gästeverbot. AEK Athen hat bereits eine harsche Bestrafung für den kroatischen Rekordmeister gefordert. Vor wenigen Stunden wurde ein Panathinaikos Fanladen von Unbekannten mit Steinen entglast. Athen wird vermutlich erstmal nicht zur Ruhe kommen.

Wir werden das Thema natürlich in unserem Podcastformat begleiten und Euch nächste Woche weitere Updates liefern